euphorscht - Tiefenmuskulatur, Balance & chinesische Piepmätze

Vor ein paar Tagen fand ich eine schöne, kleine Geschichte in einem Buch über das Thema 'Stimme'. Es handelt sich um das nur noch antiquarisch -zu einem Wahnsinnspreis- erhältliche "Buch von der Stimme" von Annette Cramer. Meins war aus der Landesbibliothek.

Aber zurück zu der Geschichte.

Sie steht dort unter dem Kapitel "Die Stimme als ganzheitlich schwingendes Organ" und verdeutlicht unter anderem, wie wichtig die Tiefenmuskulatur und ein relatives Loslassen der Haltemuskulatur zur Stimmgebung ist.

Um die tiefen Strukturen zu trainieren, arbeitet man ja beispielsweise auch auf Slacklines, Kreiseln, Airpads oder beim Qigong im Einbeinstand. Hier bedeutet Training ein Austarieren der Balance. Es heißt, flexibel in Bewegung zu sein und nichts fest zu halten. Es heißt, sich vom Boden tragen zu lassen und sich nicht selbst in unnötige Spannung zu versetzen. Es heißt, ökonomisch zu sein und auch andere Kräfte zu nutzen, als die eigenen. 

Hier nun der kleine Exkurs in die Tierwelt:

 

Warum werden Singvögel in China "spazieren geführt"?

 

Regelmäßig führen vor allem ältere Chinesen ihren Piepmatz im Käfig mit sich in den Park.

Wer jedoch genau hinschaut, wird bemerken: Bleibt der Spaziergänger zu einem Schwätzchen stehen, dann wird der Käfig sanft hin und her geschaukelt. 

Das hat seinen Sinn: Ein Vogel in der Natur ist ständig aktiv und hält damit auch seinen unteren Kehlkopf, mit dem er singt, geschmeidig. Wird er jedoch im Käfig gehalten, sieht es mit Bewegung nicht mehr gut aus. Sobald der Käfig aber ins Schwanken kommt, muss der kleine Vogel auf seiner Stange hin und her springen und flattern, um sein Gleichgewicht zu halten. Damit trainiert er nun seine Müskelchen und seinen Kehlkopf, die Stimme wird vital gehalten.

Wir haben uns unseren eigenen Käfig gebaut. Fast alle unsere Tätigkeiten werden im Sitzen ausgeführt, feine kunsthandwerkliche Arbeiten oder Bewegung in der Natur, z.B. Garten- und Feldarbeit, üben wir so gut wie gar nicht mehr aus. Die Muskeln sind schon in jungen Jahren verkürzt und hart, die Gelenke steif und unbeweglich.

Wenn der Kehlkopf geschmeidig werden, die Stimme sich entfalten soll, dann kommen wir nicht drum herum, uns viel zu bewegen, zu strecken, zu dehnen, zu schwingen und körperlich im Gleichgewicht zu halten.

(Cramer, A. (1998): Das Buch von der Stimme. Ihre formende und heilende Kraft verstehen und erfahren. Walter-Verlag, S. 163)

 

 

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